Diesem Artikel widme ich allein dem Ausflug zum Schloss Neuschwanstein, meinem Höhepunkt der Reise. Wenn ihr denkt, das Schloss selbst sei der Höhepunkt: Falsch gedacht!
Montag, 26.06.2017: Der Ausflug zum Schloss Neuschwanstein war schon lange geplant. Für jemanden wie mich, die seit jeher fasziniert ist von der Familie Wittelsbach – insbesondere natürlich von der Kaiserin Elisabeth und Ludwig II – ist ein Besuch des halbfertigen Märchenschlosses schon immer ein Muss gewesen. Da mein Freund ich glaubten, romantische Bilder von uns mit dem Schloss im Hintergrund machen zu können, zog ich mein nigelnagelneues Kleid an und machte mich extra hübsch zurecht. Na ja, zumindest ich war so naiv, das mit dem romantischen Foto-Shooting zu glauben.
Vom Campingpark Oberammergau aus fuhren wir mit Bussen nach Hohenschwangau. Obwohl wir zwischendrin einmal umsteigen mussten, war die Fahrt sehr entspannt und wir konnten die wundervolle Landschaft betrachten. By the way – die Fahrkarte war im Aufenthaltspreis enthalten, was ein ausschlaggebendes Argument für die öffentlichen Verkehrsmittel war. Wir haben es nicht bereut!
Wir kamen gegen 9.30 Uhr an unserer Endhaltestelle an. Diese war am Fuß eines Berges, der zum Schloss hinaufführte. Ein kleiner Bus fuhr von dort aus bis zum Schloss und auch zur Marienbrücke, von wo aus man angeblich den schönsten Blick auf das Schloss hatte. Da wollten wir hin. Bis zur Führung um 13 Uhr war es noch eine Weile hin. Zum Glück hatten wir die Karten zuvor online reserviert. Auch unter der Woche war um die Uhrzeit schon eine ultralange Schlange an den Kassen und wer weiß, ob wir noch die Karten zur nächst freien Führung um 14 Uhr bekommen hätten! Dennoch mussten wir die Karten noch abholen, wofür es ein Stücken bergauf ging. Es waren geschätzt angenehme 20°C, im Laufe des Tages sollten die Temperaturen auf 26°C ansteigen. Ich war ja schon so aufgeregt! Endlich würde ich das romantischste Schloss überhaupt zu sehen bekommen! Und erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht noch, dass ich die gesamte Reise über davon geträumte habe, dass mein Freund mich hier mit einem Ring überrascht. Wir alleine auf der Brücke, schießen verrückte bis wunderschöne Fotos und lassen uns von einem Touristen fotografieren, als mein Freund auf die Knie geht…Hach… Eine Traumvorstellung, genauso wie all die anderen Traumvorstellungen von einem Heiratsantrag in Paris über Barcelona bis hin zu unserem letzten Jahrestag, der im Umzugsstress einfach ausgefallen war. Ja, ich bin eine Träumerin und immer schon drei Schritte weiter als die Gegenwart.
Zurück zum Schloss. Bis dorthin waren es zu Fuß 40 Minuten. Mein Freund wollte aber lieber mit der Kutsche fahren. Ich meinte noch zu ihm: „Wir können doch auch zu Fuß gehen! Haben ja noch genug Zeit und NOCH ist es nicht so warm.“ Aber nein, mein Freund stand schon in der Schlange für die Kutsche und OHAAA, das war eine lange Schlange! Nach einer gefühlten Ewigkeit kam irgendwann mal eine Kutsche. Das würde eine lange Wartezeit werden – und ihr müsst wissen: Wenn ich eines hasse, dann ist es auf etwas zu warten. Das sollte an dem Tag aber kein Problem sein, nahm ich mir vor. Mein Freund aber beschloss, lieber den Bus zu nehmen, der weiter oberhalb von der Kutsch-Schlange abfuhr. Dort war allerdings auch eine Schlange. Also wollte mein Freund lieber mit dem Bus fahren, der unten abfuhr, wo wir auch ausgestiegen waren. Also gingen wir wieder runter. Außer uns stand nur ein weiteres Pärchen da und der Bus kam auch schon wenige Minuten später. Wir wollten gerade einsteigen, als eine Frau den Eingang blockierte. Sie war eine Touristenführerin und hatte diesen Bus um 10.30 schon einen Monat zuvor für ihre Gruppe reserviert. Ob wir noch reinpassten? Das wusste sie nicht und ihre Truppe kam nach und nach aus dem WC. Am Ende passten wir nicht mehr mit rein. Also stellten wir uns wieder in die Kutschen-Schlange. Und während ich euch die Geschichte erzähle, kann ich mir eure Gedanken an dieser Stelle vorstellen: „Wie dumm?!“ Jaaa, und es wurde immer wärmer und immer später! Als die nächste Kutsche ankam, konnten die vorne sich nicht organisieren, jedenfalls hob die Kutscherin irgendwann zwei Finger in die Höhe, nach dem Motto: „Zwei Plätze sind noch frei!“ Mein Freund und ich sprinteten nach vorne – als ein anderes Pärchen einstieg.
Und jetzt? BOAH, war das alles nun sein Ernst?! Den ganzen Morgen von A nach B, aber bloß nicht zum Schloss laufen? Warum mussten wir immer alles machen, wie er das möchte? Das funktionierte NIE! „Ich habe mich so auf den Tag gefreut und die ganze Zeit über nichts gesagt. Warum lässt du mich immer auflaufen? Ich habe gleich gesagt, lass uns zu Fuß gehen, aber nein, wir müssen unnötig Geld ausgeben. Ich mache mein Ding jetzt alleine! Du bist so ein Arschloch! Es wird immer heißer und jetzt komme ich durchgeschwitzt oben an, das werden tolle Fotos!“ So etwas in der Art habe ich meinen Freund in einem Wutanfall an den Kopf geworfen. Plötzlich war ich schrecklich wütend. Ich brach in Tränen aus. War ja klar, dass dieser Tag ein Reinfall würde. So wie alle Tage, auf die ich mich im Vorwege freute. Mein Freund war einsichtig und wollte mit mir nun zu Fuß gehen, aber ich war in meinem Alleingang-Modus und stakste schon drauf los. Mein Freund hinterher. Ich jedoch war voller negativer Energie, die mich antrieb, diesen 40 Minutenweg in 20 Minuten zu schaffen. Ich hängte meinen Freund gnadenlos ab. Klasse. Und ich hatte mir mal wieder einen Traumheiratsantrag ausgemalt. Ich würde NIE einen Antrag von ihm erhalten. Es lief schließlich nie so, wie ich mir das wünschte. Wie dumm ich doch war, so etwas zu denken.
Oben angekommen, war ich völlig fertig. Ich stand auf einer Brücke, von der aus man das Schloss Hohenschwangau wunderbar sehen konnte. Zu meiner Rechten lag das Schloss Neuschwanstein, in der Ferne der türkis-blaue Forggensee. Wie schön. Ich versuchte, wieder runterzukommen, während ich auf meinen Freund wartete. Ich wartete und wartete. Er kam nicht. So langsam konnte er doch nicht gewesen sein? Ich ging wieder zurück bis zur Gabelung. Mist. Mein Handy war im Rucksack meines Freundes. Gerade an diesem Tag hatte ich keine Handtasche dabei. Beim Blick auf die Schilder stieß mir das für die Marienbrücke ins Auge. Da ist er bestimmt hingegangen. Ich folgte dem Schild und da war sie: Die Marienbrücke vollgestopft mit Menschen. Ein Wunder, dass sie noch nicht runtergefallen war. Die Tränen begannen wieder, zu rollen. Wie konnte ich nur so doof sein, zu glauben, wir hätten die Brücke irgendwann mal für uns? Und wie sollte ich meinen Freund je wiederfinden?! Weit und breit keine Spur von ihm. Ich quetschte mich auf die Brücke und zwischen all den Menschen durch. Wollte eigentlich jeder Asiat dieses Schloss sehen? Auf der anderen Seite der Brücke tauchte mein Freund auf. Was für eine Erleichterung. Wir fielen uns in die Arme und begannen gleichzeitig mit überschwänglichen Entschuldigungen. Wie peinlich für mich, er musste sich doch nicht entschuldigen! In dem Moment war mir längst klar, dass ich allein diejenige war, die unfair gehandelt hatte. Mein Freund führte mich weg von der Brücke und einen plattgetretenen Kletterweg hinauf, den er in meiner Abwesenheit schon ausgespäht hatte. Mein Outfit war nicht aufs Klettern eingestellt, war in dem Moment jedoch egal, es war eh schon durchgeschwitzt. Oben angekommen, zeigte sich ein atemberaubender Spot: Wir schauten aus der Ferne runter auf das Märchenschloss, das umringt wurde vom farbenfrohen Forggensee. Es war ein wunderschöner Anblick. Hach, war das ein schöner Ort! Zwei, drei noch Verrücktere kletterten noch weiter hinauf, wir blieben auf der Ebene. Wir mussten den Blick lediglich mit einem weiteren Pärchen teilen, ansonsten hatten wir den Moment für uns. Wir setzten uns hin und nahmen uns Zeit, uns zu akklimatisieren. Ich war wieder glücklich. Meinen wundervollen Prinzen an meiner Seite und dieser wunderschöne Blick – alles war wieder gut.
Irgendwann schlug er vor, nun doch noch die Fotos zu schießen, oder schießen zu lassen von dem anderen Pärchen. Ouh ja! Ich öffnete meinen Dutt und stellte mich schon einmal auf meinen Platz, während mein Freund den Mann um ein Foto bat. Dieser natürlich: „Na klar!“ Ich schmiss mich in Pose, holte mein schönstes Lächeln raus und tastete instinktiv nach meinem Freund, der nun schon neben mir sein musste. Als ich nichts fühlen konnte, schaute ich zur Seite, nach unten – oh mein Gott. Oh. Mein. Gott. Da kniete mein Freund, eine kleine Schachtel in der Hand, schaute mich mit seinem Hundeblick an und fragte mit zittriger Stimmte: „Willst du mich heiraten?“
Auf einmal stand die Welt still. Mein Herz explodierte, während es JAAAAAAAAAA! schrie. Mein Kopf checkte gar nichts, irgendwann rutschte ein dünnes „Ja“ aus meinem Mund. Ist das zu fassen? Ich konnte es gar nicht begreifen. Den Rest der Reise lief ich mit einem fetten Grinsen herum, mein Verlobter meinte, ich würde meine Hand so halten, als wollte ich der ganzen Welt den Ring zeigen. Was ich natürlich nicht tat, jedenfalls nicht bewusst. Leute, wir werden HEIRATEN!
Zu der Schlossführung kann ich noch Folgendes sagen: Für Ludwig Fans: Die fertigen Räume mit deren Anspielungen auf verschiedene Opern und Geschichten sind faszinierend. Er hat sich echt viel dabei gedacht. Für alle anderen: Die Führung dauert nur 30 Minuten und ist eine reine Massenabfertigung. Man wird mit so vielen Menschen durch die Räume geschoben. Die Führerin fängt schon an zu reden, wenn noch gar nicht alle im nächsten Raum sind, weil sie einfach keine Zeit hat. Weil die Führungen so dicht aneinandergereiht sind. Viele Räume kann man nicht sehen, das Schloss ist schließlich nicht ganz fertig. Geht lieber das Schloss Herrenchiemsee besuchen 🙂
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